33 Jahre Jägermeister, 33 Jahre Marlboro

In der Wiener MMM Espresso Bar kommen Bosnier, Kroaten, Serben und Montenegriner zusammen – »Jugos«, wie die Wirtin sagt. Was am Balkan heute schwierig ist, wird hier wieder möglich.

August Modersohn

erschienen am 20.06.2019 im DUMMY Magazin


Am Morgen danach begrüßt mich Mitra mit blutverschmierten Händen. Sie steht hinter ihrem Tresen, bis auf einen Stammgast hinten in der Ecke ist an diesem Samstagvormittag niemand in ihrem Lokal. Ob sie sich verletzt habe, frage ich. Mitra lacht ihr Raucherlachen und sagt: „Ist nur nasses Paprikapulver, kein Blut!“ Sie koche gerade Gulasch, für morgen. Dann gibt es, wie jeden Sonntag, kostenloses Essen für ihre Gäste, das hat sie mir gestern Abend schon erzählt. Was ich denn trinken wolle, fragt sie nun. Ich bestelle einen Espresso – wie es sich gehört in einem Laden, der MMM Espresso heißt. Könnte man meinen. 


Dass das MMM mehr ist als bloß ein Ort zum Kaffeetrinken, weiß ich nicht erst seit dem gestrigen Abend. Ich weiß es schon seit vergangenem Sommer, als ich ein paar Tage in Wien verbracht habe. Einen Abend bin ich mit Freunden auf der Suche nach einem letzten Bier in dieses „Beisl“ gestolpert, wie man hier zu urigen Kneipen sagt. Ich weiß noch genau, wie damals ein älterer Mann auf mich zukam, laut „Du!“ rief, mich in den Schwitzkasten nahm und mir dann einen starken Schnaps in die Hand drückte. Ich weiß noch genau, wie meine Angst vorm Erblinden verflog, als ich sah, dass alle diesen Schnaps tranken. Und ich weiß noch genau, wie alle gesungen und getanzt haben zu Akkordeon und Balkanorgel. 

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