"Es ist meine Aufgabe, das auszuhalten"

Seit Beginn der Corona-Pandemie rufen viel mehr Menschen bei der Telefonseelsorge an. Sie erzählen von Einsamkeit, Liebe, Tod. Frau Paas sitzt in Hamburg und hört zu.

Von Friederike Oertel

erschienen am 11. Mai 2020 auf ZEIT Online


Es gibt Anrufe, bei denen hört Frau Paas nur ein leises Atmen am anderen Ende der Leitung. Ansonsten Stille. Minutenlang. Sie wartet, sagt dann Sätze wie: "Ich höre zu, wenn Sie reden wollen." Manchmal folgt ein Räuspern, ein erster Satz. Manchmal bleibt es still und Frau Paas lauscht weiter, versucht zu hören, was dieser Mensch, der sie anruft, gerade braucht. Irgendwann sagt sie vorsichtig: "Ich werde jetzt auflegen." Einmal hat Frau Paas ein Lied gesungen. Der Mond ist aufgegangen. Sie sagt, singen helfe, wenn Worte allein nicht oder nicht mehr genügen.

Es ist acht Uhr, Schichtwechsel bei der Telefonseelsorge in Hamburg. Frau Paas schließt die Tür zum Büro auf. Ein schmaler Gang mit Teppichboden, von dem mehrere Zimmer und eine Küche abgehen. Neben dem Eingang brennt ein Teelicht. Wenn es einmal nicht brennt, zündet sie es an. Dann trägt sie ihren Namen in ein Schichtbuch ein. Die Telefonseelsorge der Diakonie ist immer besetzt. "Vierundzwanzig sieben", sagt Frau Paas. Rund 37.000 mal pro Jahr klingelt hier das Telefon. Eigentlich wäre jetzt Ablösung dran. Doch seit Beginn des Lockdowns arbeitet die Telefonseelsorge mit Mehrfachbesetzung. Die Anzahl der Anrufe hat sich zwischenzeitlich fast verdoppelt.

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