"Junge Frauen scheinen für Männer ungesund zu sein"

Frauen wünschen sich reichere Männer, Männer wünschen sich jüngere Frauen – sind das nicht längst überwundene Klischees? Nein, eine weltweite Studie bestätigt es erneut. Was soll man davon halten? Wir fragen eine Evolutionsbiologin und einen Paartherapeuten.

Von Friederike Oertel

erschienen in DIE ZEIT am 4. Juni 2020


Er ist 89, sie 44 – gemeinsam erwarten sie sein viertes Kind. Die Rede ist vom Automobilsport-Funktionär Bernie Ecclestone und seiner Frau Fabiana Flosi. Ein Extrem? Sicher. Eine Ausnahme eher nicht. Forscherinnen um den Evolutionsbiologen David Buss haben die Partnerwünsche von 14.000 Frauen und Männern aus 45 Ländern analysiert. Ihre Ergebnisse, veröffentlicht in der Fachzeitschrift "Psychological Science", bestätigen frühere Untersuchungen und längst überholt geglaubte Klischees. Zu diesem Resultat haben wir zwei Experten befragt, getrennt voneinander: Elisabeth Oberzaucher ist Verhaltensbiologin an der Universität Wien. Sie beschäftigt sich mit menschlichem Verhalten aus evolutionsbiologischer Sicht. Für Buss’ Studie hat sie die österreichischen Daten zugeliefert. Josef Aldenhoff arbeitet als Paartherapeut in Hamburg. Zuvor leitete er die Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Kiel.

Das steht in der Studie: "Männer bevorzugen im Durchschnitt eine Partnerin, die jünger ist als sie selbst. [...] Mit zunehmendem Alter der Männer wird der Altersabstand zu ihrer idealen Partnerin größer."

Das sagt der Paartherapeut Josef Aldenhoff: Das stimmt! In meine Praxis kommen auch Männer, die 70 Jahre oder älter sind. Manche leben allein, fühlen sich einsam und suchen eine neue Partnerin, oft über Datingportale im Internet. Neulich klagte einer dieser Männer, 50-jährige Frauen interessierten sich nicht für ihn. Er selbst ist 80. Eine gleichaltrige Frau kam für ihn nicht infrage. Diese Fixierung auf das Alter beobachte ich vor allem bei Männern.

Das sagt die Evolutionsbiologin Elisabeth Oberzaucher: Das ist Wunschdenken. Und genau danach hat die Studie ja auch gefragt. Die Realität sieht ein wenig anders aus. Dort gilt: Gleich und gleich gesellt sich gern. Die meisten Menschen haben Partner, die etwa so attraktiv und gebildet sind wie sie selbst und ähnlich alt. Und beiden Geschlechtern ist es wichtiger, dass der Partner oder die Partnerin gesund ist und sozial verträglich. Diese Eigenschaften stufen sowohl Frauen als auch Männer höher ein als finanzielle Mittel oder körperliche Attraktivität. Doch wir sind so darauf fixiert, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu suchen, dass wir sie stärker wahrnehmen als die Gemeinsamkeiten.

Studie: "In allen Kulturen gaben durchschnittlich mehr Frauen als Männer an, dass der ideale Partner über gute finanzielle Ressourcen verfügen soll. [...] Im Schnitt ist der ideale Partner einer Frau durchweg ein paar Jahre älter als sie selbst."

Paartherapeut: Frauen verdienen im Schnitt immer noch deutlich weniger. Die Partnerwahl ist für sie eine Möglichkeit, das auszugleichen. Wie bewusst diese Entscheidung ist, kann ich nicht sagen. Doch ich habe es schon häufiger erlebt, dass eine Frau die Trennung scheut, weil sich ihre Lebenssituation dadurch massiv verschlechtern würde. Gleichzeitig kann es für Paare auch belastend sein, wenn es dauernd heißt, sie habe einen Vaterkomplex, er eine Midlife-Crisis.

Evolutionsbiologin: Ein gewisser Altersunterschied lässt sich mit einfacher Reproduktionsbiologie erklären. Mädchen kommen früher in die Pubertät als Jungen, ihre Geschlechtsreife setzt früher ein. Ab diesem Zeitpunkt nimmt der "reproduktive Restwert" der Frau ab, also die Zahl der Kinder, die sie potenziell noch bekommen kann.

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