Vergewaltigungen, Zwangsabtreibungen, Elektroschocks

Sexualisierte Gewalt ist in Syriens Gefängnissen allgegenwärtig, die Opfer erfahren Ächtung auch von ihren Familien. Eine Anwältin kämpft dafür, dass die Taten als Kriegsverbrechen verfolgt werden - vor einem deutschen Gericht.

von Pascale Müller

erschienen am 18.06.2020 bei Spiegel Online


Joumana Seif sieht müde aus an diesem Tag Anfang Juni. Schon um halb sieben morgens hat sie vor dem Oberlandesgericht Koblenz angestanden, danach viele Stunden im Gerichtssaal verbracht. Jetzt sitzt sie in ihrer Pension, spricht leise: "Es war auf eine sehr schreckliche Art und Weise, mit einem Gegenstand aus Metall, mit Flaschen, mit Gläsern", sagt sie. Kurz schließt sie die Augen. Hält inne. "Nein", sagt sie dann. "Man kann dazu nichts sagen."

Joumana Seif ist Frauenrechtsaktivistin, Anwältin und kommt aus Syrien. Seit mehr als zwei Jahren beschäftigt sie sich mit sexualisierter Gewalt in den Foltergefängnissen des Regimes von Baschar al-Assad. Hunderte Geschichten von Überlebenden habe sie in den vergangenen Jahren gehört, sagt sie.

Mit mehr als 70 davon habe sie selbst gesprochen. Schwierig ist es immer. Sie erzählen Seif von übergriffigen Leibesvisitationen, sexueller Belästigung, erzwungenem Geschlechtsverkehr mit anderen Gefangenen, Verstümmelung der Genitalien, von Zwangsabtreibungen, Elektroschocks an Brüsten und Genitalien und Vergewaltigungen.

Die Anwältin, die seit einigen Jahren in Deutschland lebt, hat den ganzen Tag im Oberlandesgericht Koblenz verbracht. Hier findet seit April der weltweit erste Strafprozess wegen staatlicher Folter in Syrien statt. Angeklagt sind zwei Männer, die im Khatib-Gefängnis in Damaskus für Folter an Gefangenen mit verantwortlich gewesen sein sollen. Sexualisierte Gewalt spielt bei der Anklage nur eine untergeordnete Rolle [ weiterlesen auf Spiegel Online].